¡ KZ11: Wer-Wie ¢

Der Mann und die Schuld
by Claudio Lütscher
 


 

Es war einmal ein Mann in einem warmen Land. Er sass gemütlich auf seiner Bank vor dem Haus und genoss die Sonne. Ihm gehörten ein langhaariger Ziegenbock, und ein paar wenige Ziegen.

Doch als er länger an der Sonne sass, wurde er unruhig, und dachte: „Ich möchte mich immer so entspannen und ein bisschen die Sonne geniessen. Ich bin niemanden etwas schuldig und muss
 
©Burk Verlag    eigentlich gar nichts tun.“ Dann setzte er sich hin, und entspannte seine Glieder.

Eines Tagens bekam er Kopfschmerzen und konnte nicht weiter auf seiner Bank sitzen. Er dachte, wenn er Kopfweh habe, dann müssten irgendwelche Sünden beglichen werden. Er meinte mit einem Sündenbock wäre die Schuld abbezahlt. So nahm er sich seinen Ziegenbock, belud in mit Steinen, und schickte ihn in die Wüste.

Das Kopfweh ging aber nicht weg, der Mann wurde krank und lag drei Tage lang im Bett.

Als er wieder gesünder war, nahm er seine Ziegen und schickte sie allesamt in die Wüste. Er gab ihnen die Schuld, für seine Bettlägerigkeit. Er war der Meinung, dass er nicht so lange hätte liegen müssen, wenn diese Ziegen nicht die ganze Zeit meckern würden.

Nun konnte er sich wieder entspannen. Am Abend aber bekam er Hunger nach Ziegenkäse, so machte er sich an seinen Kühlschrank, und nahm seinen Ziegenkäse heraus. Der aber war stark mit Schimmel überzogen.

Voller Wut setzte der Mann seinen Kühlschrank in die Wüste, weil dieser den Käse verschimmeln liess. Dann wollte er in seinem Garten etwas Essbares ernten, doch es war alles eingegangen, weil er vergessen hatte zu giessen.

 

Darauf hin stellte er seine Bank in die Wüste; sie trug die Schuld an seinem Vergessen den Garten zu bewässern. Um sich Abendbrot zu leisten, verkaufte er seinen Garten seinem Nachbarn.

Am nächsten Morgen bemerkte er, dass er zu wenig Geld besass um seine Miete zu bezahlen, so entfachte er Feuer, und brannte das Haus nieder. Denn wäre das Haus nicht so teuer gewesen, besässe er noch Geld. Am Nachmittag verweilte er auf einer verrosteten Parkbank, konnte sich nicht entspannen, und schlug einen Schuljungen, den er dafür verantwortlich machte. Am Abend wurde es kalt, und er hüllte sich in seine letzte Decke. Sein Schlaf blieb aus und seine Füsse wurden unterkühlt.
Als er aufwachte warf er seine Schuhe in die Wüste, weil diese ihm nicht genügend warm gaben. Gegen Mittag warf er auch noch seine Decke in den Sand, nur weil sie Schuld daran war, dass er schwitze. Als er gegen Abend halbnackt dastand und lauthals von Schülern ausgelacht wurde, machte er sich selbst zum Sünden-bock. Er belud sich selbst mit Steinen, und ging hinaus in die Wüste. Nach einer Nacht und einem Tag, gab er den Steinen die Schuld, dass er seine Kräfte verlor. Während er seine Steine in die Wüste legte, trottete sein alter Ziegenbock, noch immer mit Steinen beladen, auf ihn zu.
Der Mann betrachtete erstaunt sein Tier, wie es abgemagert und halb verdurstet vor ihm stand. „Ich weiss, ich bin Schuld, das du so zugerichtet bist, “ sagte er, und nahm ihm die Steine ab, „also geh wohin du willst.“ Der Ziegenbock rührte sich nicht von der Stelle und folgte seinem alten Herrn auf Schritt und Tritt. „Du bist mir also nicht böse?“ fragte der Mann überrascht.



Illustration Sibylle Riether

Zwei Tage später begegnete er seiner Ziegenherde, die wich erschrocken zurück. Aber als sie aber erkannten, dass es sich um ihren ehemaligen Besitzer handelte, kamen sie sogar auf ihn zu. Der Mann begann zu überlegen. „Die machen mich ja gar nicht zum Sündenbock, denen ist es egal, dass ich Schuld bin an ihrem Umherirren in der Wüste.


Na ja ist auch klar, wenn sie mich zertrampeln, und der Bock mich unter seine Hörner nehmen würde, dann wäre ihre Chance auf eine saftige Wiese dahin.

So bin ich für diese Tiere die beste Lösung: Bei diesem Gedanken ging dem Mann ein Licht auf. Stets hatte er sich nach einem Sündenbock umgeschaut, und suchte nie nach einer Lösung. „Das ist es, ach wie war ich blöd,“ dachte der Mann, „ich habe ständig dem Auslöser eines Problems die Schuld in die Schuhe geschoben, statt mich auf die Ursache zu besinnen.“ Mit dieser Erkenntnis, und seiner Ziegenherde, zog er zurück ins fruchtbare Land. Er baute sich ein Haus, denn das war die beste Lösung gegen Wind und Regen. Er gab seinen Ziegen das beste Weideland, denn für einen guten Käse war er ihnen das schuldig, er zimmerte sich eine schöne Bank, den zwischen seiner Arbeit setzte er gerne einmal hin. Er bewirtschaftete einen grossen Garten und konnte gut aus ihm leben. Er trug sorge zur Natur, denn für sein Essen, war er ihr das schuldig. Für jedes Problem suchte er nach einer Lösung, das gab ihm immer etwas zu tun, jedoch nie zuviel. So füllte er Tag um Tag mit sinnvollem Handeln, und schlussendlich erfüllte er sein Leben, denn das war er Gott schuldig, der ihm einst das Leben gab.

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